
Grundsätzliches
- Die Bezeichnung „Irrfahrten“ ist schlicht falsch. Odysseus war einer der besten Seefahrer der damaligen Zeit. Die angefahrenen Ziele waren ihm bekannt. Raubzüge rund um das Mittelmeer waren gängige Praxis. Auch Menelaos, König von Sparta, war nach dem Fall Trojas mit seiner Frau Helena (sic!) acht (!) Jahre auf Raubzug und erwarb dabei unermessliche Schätze.
- Die Sahara in der heutigen Form gab es damals nicht. Der nordafrikanische Raum war von üppigster Flora und Fauna und ausgedehnter Feuchtgebiete. Es gab große Populationen von Elefanten, Nilpferden, Nashörnern und Krokodilen nebst allen sonstigen bekannten Tierarten. Noch 1000 Jahre später verfügten die Karthager über eine Vielzahl von Kriegselefanten aus ihrem Territorium.
- Der Meeresspiegel lag rund 2 Meter unter dem heutigen Niveau.
- Die nautischen, geografischen und topografischen Angaben in der Odyssee sind äußerst präzise. Zeit- und Entfernungshinweise sind ebenso detailliert wie genau. Voraussetzung ist allerdings, dass man den Originaltext wörtlich übersetzt.
- Alle Zeit-Weg-Modelle der fahrenden Schiffe des Odysseus basieren auf erzielbaren Geschwindigkeiten in der Bewegung. Entscheidend sind die Angaben darüber, ob die Schiffe gerudert, unter Segel (samt Windstärke) oder bei Sturm und/oder Strömung bewegt wurden.
- Zeit- und Entfernungsangaben erfordern eine Übertragung sowie Einordnung im Sinne von heute gebräuchlichen Maßeinheiten, nachdem zum Beispiel Stundenangaben oder Meter/Kilometer/Meile damals nicht verwendet wurden.
Von Troja nach Ismaros
Von Troja ablegend verschlägt es Odysseus mit seinen Gefährten, auf 12 Schiffe verteilt, vom Wind getrieben zur Stadt der Kikonen, Ismaros. Er verheert die Stadt und teilt die Beute – Schätze und Frauen – unter den Gefährten auf. Das Heer der Kikonen greift die Mannschaft des Odysseus bei deren Schiffen an. Es kommt zur Feldschlacht. Odysseus unterliegt den zahlenmäßig weit überlegenen Kikonen. Gegen Abend ist die Schlacht entschieden. Sechs Mann auf jedem der 12 Schiffe sind gefallen. Odysseus flieht mit den Schiffen über das Meer, aber schon bald kommt ein heftiges Unwetter mit Nordwind auf. Odysseus lässt die Schiffe ans rettende Ufer rudern. Zwei Nächte und Tage tobt das Unwetter, am Morgen des dritten Tages legt sich der Sturm und seine Flotte steuert Maleia an der Südspitze des Peloponnes an. Dort kommt neuerlich unbändiger Sturm auf. Sturm, Strömung und der Nordwestwind/Levanter werfen die Flotte weitab nach Westen, weg von der Insel Kythera.
Kythera nach Ben Gardane (Tunesien) – Lotophagen
1.100 Kilometer
Neun Tage lang treibt die Flotte von wütenden Stürmen geschleudert übers Meer. Am zehnten Tag erreichen sie das Land der Lotophagen, gehen dort an Land und schöpfen Wasser. Nach dem Mahl bei den Schiffen werden zwei Gefährten und ein Herold ausgeschickt, um zu erkunden, welche Menschen in dem vorerst unbekannten Land leben. Es sind die Lotophagen, freundliche Menschen, die auch Lotos essen. Bald erreichen die Gesandten die Versammlung der Lotophagen. Sie bekommen Lotos zur Speise und sind ob dieser Droge geistig so entrückt, dass sie keine Lust mehr verspüren, das Volk der Lotophagen zu verlassen. Nach Stunden holt Odysseus die vermeintlich Verschollenen bei deren freundlichen Gastgebern ab und muss sie mit Gewalt zu den Schiffen bringen, wo er sie an die Balken fesselt, damit sie nicht zu den Lotophagen zurück fliehen.
Ben Gardane nach „Terra Bella“, Südspitze der Insel Djerba (Tunesien)
70 Kilometer
Odysseus lässt danach am Nachmittag die Flotte zum Land der gesetzlosen Riesen, den Kyklopen, rudern. Lange bevor Odysseus samt Flotte sein Ziel, das Land der Kyklopen, erreicht, bricht die Nacht herein. Es ist stockdunkel, kein Mond am Himmel, die Wolken stehen dicht und schwer. Gegenüber der Bucht des Kyklopenlandes dehnt sich eine fruchtbare Insel aus, auf der kein Mensch lebt, sondern nur massenhaft Ziegenherden. Odysseus würde aus dieser Insel ein prosperierendes Land machen, nicht so die Kyklopen, die mangels der Fähigkeit und Notwendigkeit des Schiffbaus keinerlei Interesse an der Insel haben. Bei dem Eiland handelt es sich um das heutige Djerba.
Weder nahe (bis 10 km) noch fern (ab 30 km) dem Land der Kyklopen. Die Flotte läuft quasi im Blindflug in den weitläufigen Hafen ein und landet an der Südspitze des Eilands. Keine Woge dringt jemals in diese Bucht ein, so eng sind die beiden Zufahrten östlich und nordwestlich der Bucht. Die Gefährten des Odysseus steigen ans krumme Gestade und legen sich zum Schlafe nieder am Strand. Heute wird diese Stelle als „Terra Bella“ bezeichnet. Am folgenden Tag durchstreifen sie die Insel und bestaunen ihre Üppigkeit und Fruchtbarkeit. Sodann erlegen sie 118 Ziegen, neun für jedes Schiff und 10 für Odysseus. Am nächsten Morgen beschließt Odysseus mit seinem Schiff und seiner Besatzung zum Land der Kyklopen zu rudern.
„Terra Bella“ bis zur Bucht von Gigthis (Tunesien)
20 Kilometer
Der Lebensraum um Gigthis herum wurde 1000 Jahre später von den Römern als „das Land Dragonia (Drachen, Ungeheuer) der Gigithenes (Giganten)“ bezeichnet.
Am Gestade vor Gigthis gelandet sehen die Achaier von weitem eine große Felsenhöhle am Meer. Lorbeerbäume spenden Schatten. In der Höhle schlafen nachts Ziegen und Schafe. Ein mächtiges Gehege aus Felsbrocken, gesäumt von riesigen Fichten und himmelhohen Eichen bietet sich ihnen dar. Die Kyklopen leben in einem Paradies, in dem sie ganzjährig jegliche pflanzliche Nahrung, ohne Ackerbau betreiben zu müssen, im Überfluss vorfinden. Alles, was dort wächst und gedeiht, Fauna und Flora, ist hypertroph. Sie betreiben Viehzucht mit Ziegen und Schafen. Sie kennen das Feuer. Mit 12 Gefährten eilt Odysseus zur Höhle, der Riese – Polyphem – ist nicht anwesend. Er ist ein wahres Ungeheuer von Größe und Kraft. In der Höhle finden sie Mengen an Lebensmitteln aus der Viehzucht und warten auf den Riesen. Zurückgekehrt sperrt dieser sie zusammen mit seinen Tieren in der Höhle ein. Sechs der Gefährten werden von Polyphem getötet und verspeist. Offensichtlich konnte Polyphem nur auf einem Auge sehen. Odysseus beschließt nun, den Riesen mit bestem mitgebrachten Wein betrunken zu machen und ihm das gesunde Auge auszustechen.
Der Plan gelingt, mit der glühenden Spitze eines starken Olivensteckens von ca. 2 Metern Länge, sticht Odysseus dem Riesen das gesunde Auge aus.
Homer spricht nie von einem Einäugigen. Vielmehr beschreibt er die Kyklopen als Individuen mit radförmigen bzw kreisförmigen Augen. Ähnlich der Physiognomie eines Primaten, wie beispielsweise eines Gorilla.
Polyphem tobt wie ein Irrer. Weil er nun blind ist, entkommen Odysseus und seine überlebenden Gefährten zwischen den Tieren der Herde, die der Riese aus der Höhle treibt. Odysseus bemächtigt sich mit den Gefährten einer Beute aus Ziegen und Schafen und flieht damit zu seinem Schiff und den übrigen Mannen, die dort ausharren. Sie legen ab. Polyphem wirft mit großen Steinen nach dem geruderten Schiff auf der Flucht. Odysseus gebietet den Gefährten still zu sein, damit der blinde Polyphem auch keine Ortung nach Gehör vornehmen kann. Die Befehle gibt Odysseus mit Gesten und Blicken. Die geworfenen Steine des Riesen verfehlen das Ziel nur knapp, die Flucht gelingt. Sein Schiff erreicht die zurück gebliebenen 11 Schiffe am sandigen Ufer bei „Terra Bella“ auf Djerba. Bis zum Abend wird gegessen und getrunken.
Gigthis nach Aiolia (Insel Pantelleria, Italien)
380 Kilometer
Am nächsten Morgen rudern die Schiffe nach Aiolia mit ihren markanten Felsufern. Aiolia heißt auf arabisch „Herrscherin der Winde“. Der heutige Name der Insel ist Pantelleria. Sie liegt 155 km östlich von Tunis inmitten des Mittelmeeres. Einen Monat lang verweilen die Achaier auf der Insel bei König Aiolos (Sterblicher), Sohn des Hippotes (Sterblicher), der sie in seinem Palast gastfreundlich beherbergt. Wäre Aiolios ein unsterblicher Gott (der Winde), könnte er nicht von sterblichen Vorfahren abstammen.
Aiolia (Pantelleria) in Richtung der Heimat Ithaka und zurück
730 Kilometer
Als ein Hauch von einem freundlichen Westwind herrscht, legen sie von der Insel Aiolia ab. Nach neun Tagen Fahrt sehen sie in der zehnten Nacht schon die heimatlichen Leuchtfeuer auf Kephalonia, an der Küste des heutigen Paliki, wo Rinderherden des Odysseus gehalten werden. Sein Verwalter ist Philoetios. Urplötzlich bricht ein ungeheuerer Ost-Orkan (Levanter) los, der sie auf die Insel Aiolia zurück wirft. Aiolos verjagt Odysseus samt Gefährten von der Insel, weil er Odysseus als einen von dunklen Mächten Verfolgten bewertet, der nur Unglück über sein Land bringen würde.
Aiolia nach Telepylos (Insel Formentera, Spanien)
960 Kilometer
Sechs Tage und Nächte rudern die Achaier durch und landen sodann nahe der Festung der Laistrygonen an, bei der Stadt Telepylos. Über die Insel herrscht König Lamos. Sie steuern in die Bucht des heutigen Sa Boca/La Savina im Nordwesten der Insel Formentera. Der Hafen/die Bucht ist von ganz besonderer Art. Spitze Felsen ragen seitlich der Hafeneinfahrt hoch auf und bilden eine extrem schmale Fahrrinne, mit nicht einmal (!) 50 m Durchfahrtbreite. In der Bucht ist daher das Meer stets spiegelglatt.
Odysseus vertäut sein Schiff draußen vor der engen Fahrrinne an den Felsen, während die übrigen Schiffe in die Bucht einfahren. Odysseus erklimmt einen zackigen Felsen und hält Ausschau nach Pfluggespannen. Er sieht jedoch nur Rauch in der Ferne aufsteigen, und schickt daher zwei Gefährten zusammen mit einem Herold an Land, um zu erkunden, welche Menschen dort leben. Diese gehen auf einer stark befestigten Straße Richtung Stadt und treffen kurz vor ihrer Ankunft dort auf ein Mädchen, das Wasser aus einer Quelle schöpft. Sie ist die Tochter des Antiphates, dem Beherrscher der Bucht. Die Gesandten gehen in die Stadt und treffen im Herrscherhaus auf die furchteinflößend große Frau des Antiphates und bitten diese, Antiphates aus der Versammlung zu holen. Dieser kommt auf sie zu. Statt die Fremden gastfreundlich zu empfangen, erschlägt er augenblicklich einen der Achaier und tischt ihn seinen Genossen aus der Versammlung zum Fraß auf. Die überlebenden beiden Achaier fliehen.
Antiphates ruft zahllose Soldaten – allesamt Giganten – zusammen, die sofort herbeistürmen und ihre Positionen für den Kampf gegen die Eindringlinge besetzen. Bis die Achaier ihre Schiffe startklar machen und rudernd Richtung Hafeneinfahrt ablegen können, sind die Felsen beidseits der engen Hafeneinfahrt von Kämpfern besetzt. Sicher nicht das erste Mal. Die Laistrygonen kennen diese Strategie genau, um Eindringlinge samt ihren Schiffen zu vernichten. Gerudert finden keine zwei Schiffe der Aichaier nebeneinander Platz in der Hafeneinfahrt. Die Laistrygonen fangen schon die ersten fliehenden Schiffe dort ab, schleudern mächtige Steine als tödliche Wurfgeschoße auf die geruderten Schiffe und zerstören sie. Die Einfahrt ist blockiert. Die übrigen sitzen nun in der Falle, aus der es kein Entrinnen gibt. Alle übrigen 11 Schiffe des Odysseus werden gnadenlos zerstört, die Mannschaften von den Laistrygonen getötet.
Nur Odysseus hat sein Schiff vor der Bucht draußen an den Felsen vertäut und hat nun alle Mühe, noch rechtzeitig vor dem Angriff der Laistrygonen aufs Meer hinaus zu fliehen. Die Zeit dafür ist so knapp, dass er alle Taue mit dem Schwert kappen muss, sonst kann auch er dem Tod nicht entrinnen.
Telepylos (La Savina/Sa Boca, Formentera) nach Aiaia/Aegusa (Favignana)
950 km
Odysseus flieht übers offene Meer und steuert nun die Insel Aiaia – Ziegenland – an, in der Antike auch Aegusa – Ziegeninsel – genannt, zeitgenössische Bezeichnung der Inselgruppe, Aegadische Inseln. Heute heißt das Eiland Favignana – die Föhninsel – von Favonio = Südföhn. Dort lebt Kirke, deren Mutter Perse die Tochter des großen Okeanos ist. Das Schiff des Odysseus legt still in der schirmenden Bucht an. Die Mannen erholen sich zwei Tage und Nächte von den Anstrengungen der zurückliegenden Seereise über 950 Kilometer. Odysseus ist ob der tragischen Verluste suizidgefährdet. Er überwindet seine schwere Depression und geht sodann los, um die Umgebung zu erkunden. Er wagt es nicht, die Behausung der Kirke aufzusuchen, kehrt um und erlegt kurz vor dem Gestade, wo sein Schiff liegt, einen gewaltigen Hirsch. Die Gefährten laben sich bis zum Abend an dem herrlichen Mahl. Am nächsten Morgen kriechen die Mannen aus ihren Schlafsäcken am Ufer. Der Himmel ist nach wie vor stark bewölkt, sie können die Himmelsrichtungen nicht feststellen. Das Meer ist aufgewühlt. Soviel aber hat Odysseus bereits erkundet, die Insel liegt nahe an einem Festland. Wie sich bald herausstellt, handelt es sich aber um Thrinakia, das heutige Sizilien.
Aiaia zum Land der Kimmerier am Fluss Okeanos
80 Kilometer
Ein ganzes Jahr lang bleiben die Achaier auf Aiaia, dann fordern die Gefährten von Odysseus die Heimfahrt. Doch Kirke verlangt von Odysseus, zuvor noch zum Okeanos zu schiffen, um den Seher Teresias am Eingang zum Hades zu treffen. Kirke stammt von Perse, der Tochter des Okeanos ab. Logisch, dass sie die Gegend an den Ufern des Flusses Okeanos, heute Fiume San Bartolomeo, kennt. Es ist ihr Vaterland, wo Kirke Odysseus hinsendet. Ein Hauch des Nordwindes lässt die Hinfahrt gelingen. Dort muss er den thebaiischen Greis Teresias am Eingang zur Unterwelt treffen. Der mächtige Fluss Okeanos im Land der Kimmerier ist 80 Kilometer von Aiaia/Favignana entfernt und fließt etwas östlich vom heutigen Castellammare del Golfo ins Meer. Er heißt heute Fiume San Bartolomeo. Rund 5 Kilometer in Richtung Oberlauf des San Bartolomeo fließen die stygischen Gewässer (giftige Wasser aus der Unterwelt) der Flüsse Caldo und Freddo aus den Thermalquellen von Gorgo und Segesta in den San Bartolomeo. Gorgo und Segesta sind Eingänge zum Hades, der Unterwelt. Odysseus erreicht sein Ziel und erfüllt die Weisungen der Kirke. Noch am selben Tag fährt er zurück. Erst gerudert, dann unter Segel, schiffen die Achaier 80 Kilometer zurück nach Aiaia/Favignana. Dort kommen sie noch vor dem Morgengrauen an. Sie schlafen am Strand bis zum Sonnenaufgang.
Aiaia (Favignana) durch die Straße von Messina nach Pillirina/Syrakus (Sizilien)
400 Kilometer
Nach ausgiebigem Essen und Trinken legt Odysseus am Folgetag von Aiaia Richtung Heimat ab. Die gewaltigen Stürme im südlichen Mittelmeer, die er mit Müh und Not überlebt hat, bewegen ihn, eine Route nördlich von Thrinakia/Sizilien zu wählen. Am Okeanos vorbei führt ihn seine Seefahrt nun weiter zur Meerenge von Messina und, so ist der Plan, weiter nach Ithaka. Doch die Ungeheuer Sirenen, Skylla und Charybdis wollen ihn vernichten. Er entkommt ihnen mit List, verliert aber sechs Mann. Letztlich schaffen es die Helden an den Ufern Thrinakias zu landen, wo die Rinder des Sonnengottes Helios weiden. Sie ankern südlich vom heutigen Syrakus in Pillirina. Einen Monat lang wütet ein Süd-Orkan (Scirocco), nur gelegentlich herrscht Ostwind. Beide Winde machen einen Aufbruch zum fernen Ithaka, östlich von Sizilien gelegen, unmöglich. Obwohl es ihnen ausdrücklich von Kirke verboten wurde, schlachten die Mannen des Odysseus Rinder des Helios und verspeisen diese. Am siebten Tag segeln die Gefährten aufs offene Meer hinaus, bis kein Land mehr in Sicht ist. Dort ereilt sie erneut ein dramatisches Unglück. Ein wütender West-Sturm (Ponente) zerschmettert das Schiff. Nur Odysseus überlebt, an Trümmer des Wracks geklammert. Er wird zunächst vom Südwind (Scirocco) nach Norden zurück zu Charybdis getrieben.
Südlich der Meerenge von Messina bis zur Insel Ogygia (Malta)
275 Kilometer
Odysseus entkommt dem Ungeheuer erneut. Im Meer treibend landet er am zehnten Tag 275 km Kilometer südlich auf der Insel Ogygia, dem heutigen Malta, bei der unsterblichen Nymphe Kalypso. Sie lebt wie im Paradies. Alles, was ein Mensch braucht, bietet die Insel im Überfluss. Flora und Fauna sind üppigst. Sogar Berglöwen, Elefanten alles Rotwild und viel anderes jagdbares Getier, ist reichlich vorhanden. Nur, die Evolution hat die Insel-Fauna verzwergt! Unzählige Funde belegen das. Kalypso residiert in ihrer Höhle Ghar Dalam in der Südostecke der Insel. Nahe der heutigen Hafenstadt Birzebbuga.
Odysseus ist in einem goldenen Käfig gefangen. Es gibt kein Entrinnen für den Helden. Die Schifffahrtsrouten verlaufen entlang der Küstenlinie nördlich, östlich und südlich des Mittelmeeres. Auf der Insel Ogygia gibt es nichts zu holen. Nicht einmal die Jagd lohnt. Die jagdbaren Tiere sind verzwergt, Gold oder andere Schätze sind nicht vorhanden. Selbst wenn ein Schiff anlandet, kann es Odysseus nicht wagen, darauf anzuheuern. Seine exzellente Physis und seine Intelligenz sind ein gefundenes Fressen für jeden Sklavenhändler. Für viel Geld würde Odysseus auf einem Sklavenmarkt verkauft. Eine Heimkehr nach Ithaka wäre für immer vereitelt.
Ogygia (Malta) in das Land der Phäaken – Scheria (Lefkada)
630 Kilometer
Mit einem seetüchtigen Floß, von Odysseus eigenhändig gebaut, segelt der Held mit günstigem mäßigen Westwind nach sieben Jahren auf Ogygia im Frühjahr des Jahres 1178 vor Christus Richtung Heimat. Göttervater Zeus höchstselbst hat die Heimfahrt des Helden gegen den Willen der Nymphe Kalypso befohlen. Es ist Ende März. Am 18. Tag der waghalsigen Fahrt zerschmettert ein Orkan seinen Floß. Odysseus rettet sich auf Planken des Floßes, bis ihn die Meergöttin Leukothea auffordert sich nackt zu machen und schwimmend das Ufer anzustreben. Drei Tage treibt er schwimmend durchs Meer, bis er endlich an einer Flussmündung auf Scheria/Lefkada, dem Land der Phäaken, sicheres Land unter die Füße bekommt. Er zeigt sich der Königsstochter Nausikaa. Sie war zufällig mit Gefährtinnen zum Wäschewaschen an dieser Flussmündung. Nausikaa geleitet den Schiffbrüchigen zum Palast ihrer Eltern Arete und Alkinoos. Jetzt ist er endgültig gerettet, die Phäaken geleiten ihn nach drei Tagen überreich beschenkt nächtens mit einem ihrer Boote, die keinen Steuermann benötigen, nach Ithaka. Legen ihn völlig erschöpft schlafend mitsamt den Geschenken im Sand der Phorkys-Bucht ab. Diese liegt im Nordosten der Insel Ithaka. Sie wird heute Marmakas-Bucht genannt. Vor Ort sieht man vor dem ehemaligen Sandstrand einen vom Meer aufgeworfenen Kieswall, der sich im Bogen vor das Ufer spannt. Draußen vor dem Eingang zur Bucht ragten damals zwei nebeneinander liegende Felsinseln empor. Eine davon liegt heute nach dem Anstieg des Meeresspiegels seit der Zeit des Odysseus unter Wasser.
Es ist der Morgen des 16. April im Jahr 1178 vor Christus. Die Forscher Constantino Baikouzis von der Rockefeller Universität New York und Marcello Magnasco vom Astronomischen Observatorium La Plata haben dieses Datum anhand der Bewegung der Gestirne exakt errechnet.
Ein Jahr später geht die damals bekannte Welt samt ihren Völkern und Kulturen infolge einer unermesslichen Katastrophe unter. Ein Asteroidensturm aus dem Sternbild der Lyriden bricht über die Welt herein und vernichtet alles. Menschen, Fauna und Flora und selbst gigantische Megalithbauten. Die Druckwellen zerstören oder verschieben sogar tonnenschwere Kyklopmauern. Kein Erdbeben kann Zerstörungen dieser Art hervorbringen. Die Hitzeentwicklung dieser über der Erdoberfläche explodierenden Geschoße aus dem Universum ist so groß, dass selbst Steine verbrennen. Schwerst getroffen wird vor allem der östliche Mittelmeerraum und das Gebiet der heutigen Türkei. Die Überlebenden der damaligen Zivilisationen, außer – eingeschränkt – die von Ägypten, brauchen fast 500 Jahre, bis wieder blühende Gesellschaften entstehen.
Mag. Dr. Nikolaus Lottersberger, am 19. Januar 2024, alle Rechte vorbehalten.